Trotz NS-Rethorik: AfD tritt in Leipzig mit Spitzenkandidat Ulbricht an

Die AfD in Sachsen will ihn loswerden, die Stadtratsfraktion in Leipzig hält an ihm fest: Der Rechtsanwalt Roland Ulbrich bleibt Spitzenkandidat bei der Kommunalwahl.

Wenn die AfD in Leipzig in den Kommunal-Wahlkampf zieht, wirbt sie mit einem Kandidaten, den die Partei eigentlich loswerden will: Gegen Roland Ulbrich läuft ein Ausschlussverfahren. Im Landtag gehört er schon nicht mehr zur Fraktion. Jan Zwerg, Generalsekretär der AfD und parlamentarischer Geschäftsführer sagte zu der Causa: „Jeder, der sich extremistisch äußert – ganz gleich, ob rechts- oder linksextremistisch – schadet der AfD massiv“.

In Leipzig sieht man das offenbar anders: Hier ist Roland Ulbrich immer noch Teil der Fraktion, tritt zur Kommunalwahl als Spitzenkandidat im Wahlkreis 4 an. Ja, es gab eine Beratung, so erzählt es der Fraktionsvorsitzende Siegbert Droese.

Aber offenbar wollte man nur wissen, ob Ulbrich irgendwelche Konsequenzen ziehen möchte. „Dies wurde verneint“, so Droese. Er selbst sieht keine Notwendigkeit zu handeln: Es sei ja auch alles hoch kompliziert. Aber ist es das wirklich?

Ulbrich sinniert über den „Arier“-Begriff

Roland Ulbrich ist schon in der Vergangenheit aufgefallen, etwa wegen eines Kommentars über das Halle-Attentat: „Was ist schlimmer, eine beschädigte Synagogentür oder zwei getötete Deutsche?“, schrieb er bei Facebook. Geschadet hat es ihm nicht. Doch Anfang des Jahres überschritt er in seiner Rolle als stellvertretender Vorsitzender des Bundesschiedsgerichts der AfD eine Grenze, als er sich bei einer Eilentscheidung auf NS-Rhetorik bezog.

Im konkreten Fall ging es um Manuela P. aus Nordrhein-Westfalen, der man die Mitgliedschaftsrechte entzogen hatte. Unter anderem, weil sich die aus Polen stammende Frau als „arisch“ bezeichnet hatte. P. hatte geklagt, das Bundesschiedsgericht gab ihr Recht. In der Begründung, verfasst von Roland Ulbrich, heißt es:

Die polnische Sprache ist als slawische Sprache den arischen Sprachen zuzuordnen. Es erschließt sich auch nicht, wieso der Begriff ‚arisch‘ der nationalsozialistischen Rassenideologie zuzuordnen ist. Insofern sei nur auf das Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935 hingewiesen, in dem in § 2 I geregelt ist, dass Reichsbürger nur der Staatsbürger sei, der deutschen oder artverwandten Blutes sei.

Mehrere Medien hatten über den Beschluss und diesen konkreten Absatz berichtet, unter anderem das ZDF. In seiner Argumentation bezieht sich Ulbrich auf eine Rechtsprechung, die deutschen Staatsangehörigen jüdischen Glaubens die Möglichkeit absprach, Reichsbürger zu sein – und, was aus Sicht seiner Kritiker schwerer wiegt:

Er leugnet, dass der „Arier“-Begriff im Zusammenhang mit der NS-Ideologie steht. In einer Pressemitteilung des Bundesschiedsgerichts heißt es, dies sei nicht seine Absicht gewesen. Um Schaden von der Partei abzuwenden, trete er als stellvertretender Vorsitzender zurück. Roland Ulbrich war trotz mehrerer Kontaktversuche nicht erreichbar.

In Leipzig soll der Wähler entscheiden

Für die AfD ist es derzeit eine diffizile Zeit: Drei Landesverbände gelten als rechtsextrem, vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster wird über die Einstufung der Bundespartei als Verdachtsfall verhandelt – immer wieder flammt die Verbotsdebatte auf. Wohl auch deswegen bemüht man sich in Sachsen um ein konsequentes Vorgehen: Die Landtagsfraktion hatte Ulbrich mit Ausschluss gedroht, bevor er sich auch hier zurückzog.

Beim Parteitag in Glauchau scheiterte der Rechtsanwalt mit einer Kandidatur für die Landesliste. Ob der Kreisverband Nordsachsen ihn weiterhin als Direktkandidat für die Landtagswahl aufstellt? Dort war niemand für ein Statement erreichbar.

In Leipzig stehen sie hinter Ulbrich, zumindest wenn man Siegbert Droese glaubt: Für einen Ausschluss aus der Stadtratsfraktion braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit, die es aber nicht gibt: „Wir sind als Fraktion in den letzten Jahren gut zusammengewachsen, es gibt eine große Kollegialität untereinander“, sagt Droese.

Man habe beschlossen, das Parteiausschlussverfahren abzuwarten. Zur Kommunalwahl am 9. Juni soll der Wähler entscheiden, ob Ulbrich auch künftig für die AfD im Leipziger Stadtrat sitzt. Droese glaubt: Ulbrich hat gute Chancen. Trotz allem.